Antiretrovirale Therapie bei Kindern
Seit 1995 organisierten sich die Behandler HIV1-positiver und HIV1-exponierter Kinder in der BRD und Österreich in der Pädiatrischen Arbeitsgruppe AIDS (PAAD), homepage: http://www.kinder-aids.de/. Die im folgenden aufgeführten Empfehlungen zur antiretroviralen Therapie bei HIV1-infizierten Kindern aus dem Jahre 2019 (Internetadresse: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/048-011.html/) entstammen (wie die früheren von 1998 + 2000 + 2006 + 2011) aus der Arbeit einer Konsensusgruppe der PAAD.
Anmerkungen zur Methodik:
Die Erstellung der Leitlinie folgte der Systematik der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, www.awmf.org) durch eine strukturierte Konsensfindung. Die Umsetzung wurde durch die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) und Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) als federführende Fachgesellschaften unter Beteiligung von Experten aller für die HIV-Infektion im Kindes- und Jugendalter relevanten Fachgesellschaften realisiert. Da es sich um eine S2k-Leitlinie handelt, fand keine systematische Literaturrecherche oder Evidenzbewertung statt. Berücksichtigt wurden die aktuelle Literatur, aktuelle Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Paediatric European Network for the Treatment of AIDS (PENTA), des Centers for Disease Control (CDC) und die Deutsch-Österreichische Leitlinie zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion der DAIG/ÖAG.
Die Empfehlungsstärken sind wie folgt festgelegt:
· "soll", "sollen" - hohe Empfehlungsstufe
· "sollte", "sollten" - mittlere Empfehlungsstufe
· "kann", "können" - niedrige Empfehlungsstufe
1) Allgemeine Prinzipien der antiretroviralen Therapie
Voraussetzung
für eine ART ist die gesicherte Diagnose einer HIV-Infektion
(siehe Kapitel Diagnose der HIV-Infektion).
Ziel der antiretroviralen Therapie (ART) ist die Hemmung der
HIV-Replikation, der Erhalt bzw. die Rekonstitution
der Immunität, die Senkung der Morbidität und Mortalität und eine möglichst normale körperliche und neurokognitive
Entwicklung HIV-infizierter Kinder und Jugendlicher. Bei sexuell aktiven
Jugendlichen verringert die Suppression der HIV-RNA das Risiko einer horizontalen Transmission. Obwohl die
Pathogenese der HIV-Infektion sowie die Wirkmechanismen der antiretroviralen
Medikamente bei Erwachsenen und Kindern prinzipiell gleich sind, können
aufgrund der erheblichen Unterschiede der Pharmakokinetik und des
Nebenwirkungsprofils Studien an Erwachsenen nicht ohne Weiteres auf das
Säuglings- und Kindesalter übertragen werden.
Effektive Kombinationstherapien bestehend aus mindestens drei antiretroviral wirksamen Medikamenten aus mindestens zwei verschiedenen Klassen mit einer dauerhaften Suppression der Plasmavirämie unter die Nachweisgrenze hochempfindlicher Assays sind in der Lage, die Resistenzentwicklung und ein konsekutives Therapieversagen nachhaltig zu verhindern. Nach derzeitigem Kenntnisstand erfolgt eine Therapie der HIV-Infektion lebenslang.
Voraussetzung für den Therapieerfolg ist dabei die regelmäßige Einnahme der Medikation. Für die initiale Therapie stehen Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NRTI bzw. NtRTI), mit Ritonavir oder Cobicistat geboosterte Protease-Inhibitoren (PI), nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) und Integrase-Inhibitoren (INI) zur Verfügung. Empfohlene Kombinationen für die Initialtherapie bestehen aus zwei Nukleosid-bzw. Nukleotidanaloga (2 NRTIs oder 1 NRTI + 1 NtRTI) und entweder einem NNRTI oder geboosterten PI oder INI (Tabelle 4.2).
Die Auswahl der Medikamentenkombinationen ist abhängig von der individuellen Situation, vom Lebensalter und dem HIV-Resistenzbefund. Zu berücksichtigen sind mögliche Koinfektionen, sowie das Nebenwirkungsprofil der antiretroviralen Medikamente. Da auch bei der vertikalen HIV-Infektionsübertragung (Mutter-Kind-HIV-Transmission) die Möglichkeit der Transmission resistenter HI-Viren besteht, wird vor einem Therapiebeginn eine genotypische Resistenztestung empfohlen (siehe Kapitel Diagnostik).
2) Indikation zur antiretroviralen Therapie/ART
Der Beginn einer
ART ist in der Regel kein Notfall. Die Betreuungspersonen/ Eltern und Patienten
sind altersgerecht und detailliert über die Therapie aufzuklären und die
Medikamentengaben so gut wie möglich in den Tagesablauf von Kindern/ Jugendlichen
und deren Betreuungspersonen zu integrieren. Ziel ist die anhaltende Senkung
der HI-Viruslast unter die Nachweisgrenze des Assays (i.d.R. <50 Kopien/ml).
Dieses Ziel ist nur durch eine regelmäßige (i.d.R. >95 %) Einnahme der ART
dauerhaft gewährleistet. Da eine unregelmäßige Einnahme der ART nicht nur den
Behandlungserfolg gefährdet, sondern auch die Resistenzentwicklung fördert, sind
wiederholt Gespräche mit den Patienten und betreuenden Personen über die
regelmäßige Medikamenteneinnahme zu führen.
Eltern
und Kind sind über das Risiko potentieller Wechselwirkungen mit anderen
verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und
der ART aufzuklären.
der Viruslast
den T-Helferzellen
und nach dem klinischen Krankheitsstadium des Patienten.
Zur besseren Beurteilung/Vergleichbarkeit ist bei allen Kindern wichtig, dass die Viruslast und T-Helferzellen möglichst immer mit der gleichen Methode im gleichen Labor analysiert werden. Ebenso wie die Viruslast unterliegen die Prozentzahlen der T-Helferzellen großen Schwankungen z.B. nach Infekten und Impfungen. Therapeutische Konsequenzen sollten nie nach einer Untersuchung sondern nach mindestens 2 Untersuchungen im Abstand von mindestens einem Monat mit ähnlichen Ergebnissen gezogen werden.
Große amerikanische und englische Studien zeigen den Zusammenhang zwischen Höhe der T-Helferzellen bzw. Höhe der Viruslast und Krankheitsprogression zu Stadium AIDS oder Tod. Da sowohl die T-Helferzellen als auch die Viruslast bei HIV1-positiven Kindern nach Geburt sehr hoch sind ist (Viruslast um eine Zehnerpotenz höher als bei Erwachsenen bzw. T-Helferzellen bis 75% bzw. bis 6000/µl) und dann abfallen, muss sie altersabhängig beurteilt werden.
Bei erwachsenen HIV-Infizierten empfehlen internationale
Leitlinien (http://www.eacsociety.org) eine ART für alle Erwachsenen mit
einer HIV-Infektion unabhängig von der CD4-Zellzahl. Grundlage dieser
Empfehlung sind die Ergebnisse der bei Erwachsenen durchgeführten START-Studie, die gezeigt
hat, dass auch bei einem Therapiebeginn oberhalb des für Erwachsene bisherigen Schwellenwerts
der CD4-Zellzahl von 350/µl eine weitere signifikante Reduktion HIV-assoziierter
und nicht HIV-assoziierter schwerer Komplikationen und der Letalität ohne
Zunahme von Nebenwirkungen möglich ist. Unklar bleibt, inwieweit diese Daten
auch auf Kinder und Jugendliche übertragen werden können.
In den aktuellen
europäischen PENTA-Leitlinien wird diskutiert, ob nicht in Analogie zu
HIV-infizierten Erwachsenen auch alle HIV-infizierten Kinder behandelt werden
sollten. Diese Einschätzung wurde
in einem "Letter to the Editor" bekräftigt, jedoch ohne entsprechende
Studiendaten, die diese Empfehlung
unterstützen könnten. Auch die US-amerikanischen Leitlinien
(http://aidsinfo.nih.gov/guidelines) sprechen sich für eine Therapie aller
HIV-infizierten Kinder aus
Anders als bei
Erwachsenen ist die Evidenz für eine solche Empfehlung, d.h. eine Dringlichkeit
für einen sofortigen Beginn einer ART, bei asymptomatischen HIV-infizierten
Kindern >12 Monaten mit CD4-Zellzahlen oberhalb den altersentsprechenden
Normwerten bisher nicht nachgewiesen. Bedenken hinsichtlich der Adhärenz und
der langfristigen Medikamenten-Toxizitäten sind bei Kindern relevant,
berücksichtigt man, dass eine einmal begonnene Therapie nach derzeitigem
Erkenntnisstand lebenslang fortgesetzt wird.
Die Empfehlung der Leitliniengruppe spricht sich daher nicht für eine generelle unverzüglich zu beginnende ART für alle HIV-infizierten Kinder aus. Die Indikation für eine ART bei asymptomatischen Kindern richtet sich nach Altersgruppen und weicht damit in einigen Punkten von internationalen Empfehlungen ab. Empfohlen wird folgendes Vorgehen:zur Methodik:
Indikation zur antiretroviralen Therapie gemäß PAAD-Empfehlungen von 2019:
|
Alter |
Kriterium |
Empfehlung |
|
Säuglinge |
unabhängig von der Klinik und |
sollen unverzüglich eine ART erhalten |
|
<12 - 36 Monate |
unabhängig von der Klinik und |
sollen eine ART erhalten |
|
37Monate -12 Jahre |
asymptomatische Kinder ohne Immundefekt |
sollten eine ART erhalten |
|
|
symptomatische Kinder und/oder |
sollen eine ART erhalten |
| alle Jugendlichen >12 Jahre | unabhängig von der Klinik und dem immunlogischen Status |
sollen wie Erwachsene therapiert werden* |
*Details siehe AWMF-Leitlinie "Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion
Alle HIV-infizierten Säuglinge (Geburt bis zum Ende des ersten Lebensjahres) sollen unverzüglich eine ART erhalten:
Belegt wurde der
Nutzen eines unverzüglichen Beginns einer ART bei HIV-infizierten Säuglingen nach
Diagnosestellung u. a. in der randomisierten, kontrollierten CHER-Studie für
afrikanische - und in einer retrospektiven Studie der "European Infant Collaboration Group" für
europäische Säuglinge. Die Empfehlung zur Behandlung aller Säuglinge (bis 12 Monate) mag erstaunlich erscheinen, da diese Patientengruppe dann am längsten (eventuell lebenslang) antiretroviraler Therapie und ihren Nebenwirkungen ausgesetzt wird. Die Empfehlung wurde trotzdem ausgesprochen, weil im Säuglingsalter das Risiko an AIDS-definierenden Symptomen, besonders schweren opportunistischen Infektionen wie Pneumoncystis jirovecii Pneumonie, disseminierte CMV-Infektion (20%) oder an einer HIV-Enzephalopathie (10-15%) zu erkranken, sehr hoch (bis zu 35-40%) ist. Außerdem können in dieser Altersgruppe weder anhand der CD4-Zahl noch anhand der Viruslast (mangels Aussagekraft) Voraussagen in Bezug auf die Progression zu AIDS gemacht werden.
Asymptomatische Kleinkinder ohne Immundefekt im Alter von 13 bis 36 Monaten sollen eine ART erhalten:
Ein unverzüglicher ART-Beginn wird auch für alle asymptomatischen Kleinkinder im zweiten und dritten Lebensjahr empfohlen, da Kinder in diesem Alter eine akute HIV-Infektion deutlich schlechter kontrollieren können als ältere Kinder und anzunehmen ist, dass diese Altersgruppe erheblich von einem unverzüglichen Beginn einer ART profitieren wird, auch wenn dies bisher nicht durch Studien belegt ist. Es zeigt sich aber bei therapierten Kindern z.B. ein Vorteil hinsichtlich der neuro-kognitiven Entwicklung.
Asymptomatische Kinder im Alter von 37 Monaten bis zum Ende des 12. Lebensjahres sollten eine ART erhalten:
Bei älteren asymptomatischen Kindern (37 Monate bis Ende des 12. Lebensjahres) spricht sich die Leitliniengruppe nicht für eine generelle Therapieempfehlung aus, da in dem Alter von einer geringeren Krankheitsprogression auszugehen ist. Die PREDICT-Studie, die Kinder im Alter von >1 Jahr (mittleres Alter 6,4 Jahre) untersucht hat, zeigte ein vergleichbar großes Risiko bezüglich klinischer Progression bei Kindern, die sofort oder verzögert (CD4-basiert) behandelt wurden und konnte somit keinen eindeutigen klinischen Nutzen nachweisen. Andere Beobachtungsstudien zeigten zum Teil eine niedrigere Mortalität, ein besseres Wachstum und eine zeitgerechtere Pubertätsentwicklung bei frühzeitig behandelten Kindern im Vergleich zu Kindern, die verzögert (CD4-basiert) behandelt wurden. Gründe gegen eine generelle ART für ältere asymptomatische Kinder (37 Monate bis Ende 12. Lebensjahr) sind neben dem ausstehenden Beleg für einen Nutzen, Bedenken hinsichtlich möglicher ART-bedingter Toxizitäten und bei ungenügender Adhärenz Risiken der viralen Resistenz-Entwicklung. Da ein Nutzen der ART hinsichtlich neurokognitiver Leistungen, Pubertätsentwicklung, ein positiver Einfluss auf das Wachstum möglich ist, wird empfohlen, bei asymptomatischen Kindern im Alter von 37 Monate bis zum Ende des 12. Lebensjahres die Therapieindikation großzügig zu stellen, wenn die Bereitschaft zur Therapie besteht und eine gute Adhärenz anzunehmen ist. Eine abwartende Haltung ist aber bei klinisch und immunologisch stabilen Kindern zu vertreten, bis diese bereit für eine ART sind.
Alle Jugendlichen >12 Jahre sollen wie Erwachsene behandelt werden.
Bei symptomatischen Kindern und Jugendlichen und/ oder bei Vorliegen eines Immundefekts soll unabhängig vom Alter eine ART begonnen werden.
3) Empfohlene Therapieregime
für die Initialtherapie:
Generelle Anmerkungen:
Für die Initialtherapie soll eine Kombinationstherapie aus 2 NRTIs + 1 PI/r oder 2 NRTIs +
1 NNRTI oder 2 NRTIs plus 1 INI gewählt werden.
In randomisierten, kontrollierten Studien sind
Kombinationstherapien aus drei Wirkstoffen gegenüber einer Kombinationstherapie
mit nur 2 NRTIs überlegen.
Für die Initialtherapie HIV-infizierter Kinder
liegen nur wenige randomisierte Studien vor, die NNRTI-basierte und PI-basierte
Therapieregime vergleichen.
Da die meisten Kinder vertikal, also durch Mutter-Kind-Transmission, mit HIV infiziert werden, besteht für die Kinder die Möglichkeit mit einem resistenten HI-Virus angesteckt worden zu sein. Zu Beginn einer antiretroviralen Therapie ist daher eine genotypische Resistenztestung zu empfehlen, um eine optimal wirksame Therapie für das Kind zu wählen.
Bei Beginn der Therapie werden Eltern (und wenn möglich das Kind) detailliert über die Therapie aufgeklärt, und die Medikamentengaben so gut wie möglich in den Tagesablauf des Kindes und der Eltern eingepasst.
Eltern und Kind werden darüber informiert, vor der Einnahme anderer verschreibungspflichtiger - und nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente - aufgrund potentieller Wechselwirkungen mit der antiretroviralen Therapie ihren HIV-Behandler zu konsultieren.
Es besteht für alle NNRTI, PI und INI die Möglichkeit, Serumspiegel zu messen. Zur Vermeidung subtherapeutischer Serumspiegel der antiretroviralen Medikamente und damit der Resistenzentwicklung, sollte ein 'therapeutisches drug monitoring' (TDM) erfolgen. Vor Beginn der ART werden eine Reihe von
Untersuchungen empfohlen, die für die Auswahl der optimalen
Kombinationstherapie essentiell sind:
· Generell soll vor Beginn einer ART eine genotypische Resistenztestung durchgeführt werden, um eine optimal wirksame Therapie für das Kind zu wählen.
· Es soll eine Testung auf HLA-B*5701 durchgeführt werden, wenn die geplante
Kombinationstherapie Abacavir enthält, da Träger dieses Allels ein hohes Risiko
einer Hypersensitivitätsreaktion auf Abacavir haben.
Empfehlungen zu Arzneimittelkombinationen in der Initialtherapie von Kindern
Empfehlungen zu Medikamentenkombinationen in Abhängigkeit vom Alter:
| Alter | < 4 Wochen |
≥4 Wochen - <1 Jahr |
≥1 -
<3 Jahre |
≥3 -
<6 Jahre |
≥6 - <12
Jahre |
≥12 Jahre |
|
| Bevorzugtes Regime: |
NRTIs/ |
ZDV + 3TC |
ABCb + 3TC |
ABCb + 3TC ABCb+ FTC |
ABCb + 3TC ABCb+ FTC |
ABCb + 3TC ABCb+ FTC |
ABCb + 3TC |
| 3. Substanz |
NVP |
NVP |
NVP LPV/r RAL |
ATV/r |
ATV/r |
ATV/r |
|
| Alternatives Regime: |
NRTIs/ NtRTIs |
- |
ZDV + 3TC |
ZDV + 3TC ZDV + FTC |
ZDV + 3TC |
ZDV + 3TC ZDV + FTC TDF + FTC |
TDF + FTC |
| 3. Substanz |
- | - | - |
EFV |
EFV |
EFV |
a ab 42 SSW
Gestationsalter bzw. ≥14 Lebenstage (reife Neugeborene);
b wenn
HLAB5701-Screening negativ;
c RPV nicht bei einer initialen HIV-RNA
>100.000 Kopien/ml;
d TAF + FTC in Kombination zugelassen bei
Kindern ≥12 Jahren und ≥35 kg;
e bei Jugendlichen im gebärfähigen
Ausschluss einer Schwangerschaft vor Therapiebeginn, unter Therapie Anwendung
von zuverlässigen Verhütungsmethoden.
Abkürzungen:
Abacavir: ABC; 3TC: Lamivudin; ATV/r: Atazanavir/Ritonavir; DRV/r: COBI:
Cobicistat; Darunavir/Ritonavir; DTG: Dolutegravir; EFV: Efavirenz;
EVG:
Elvitegravir; FTC: Emtricitabin; LPV/r: Lopinavir/Ritonavir; NRTI:
Nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor; NVP: Nevirapin; RAL:
Raltegravir;
RPV: Rilpivirin; TAF: Tenofovir alafenamid; TDF: Tenofovir
disoproxil fumarat; ZDV: Zidovudin.
Empfohlene Therapieregime für die Initialtherapie
Für die Initialtherapie soll eine Kombinationstherapie aus 2 NRTIs + 1 PI/r oder 2 NRTIs + 1 NNRTI oder 2 NRTIs plus 1 INI gewählt werden. In randomisierten, kontrollierten Studien sind Kombinationstherapien aus drei Wirkstoffen gegenüber einer Kombinationstherapie mit nur 2 NRTIs überlegen
Durchführung der initialen HAART:
Empfehlungen zu Medikamentenkombinationen in Abhängigkeit vom Alter:
Antiretrovirale Medikamente zur Therapie der HIV Infektion im Kindesalter:
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Medikamente |
Dosierung pro Tag |
Hauptnebenwirkungen |
Einnahme und Kommentar |
|
Nukleosidische Reverse Transkriptase Inhibitoren (NRTI) |
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Azidothymidin (AZT) oder Zidovudin (ZDV): |
Lösung: Kapseln: |
Hämatotoxizität (Neutropenie und Anämie), Kopfschmerzen |
Unabhängig vom Essen |
|
Stavudin (D4T): Suspension: 1mg/ml |
Alter 1- 13 Tage: |
Kopfschmerzen, GI-Probleme, Hautausschlag, Lipoatrophie |
Unabhängig vom Essen, Zulassung nur noch für Gabe bei mangelden Alternativen!! |
|
Didanosin (DDI): Suspension: 10mg/ml |
Alter 2 Wo - 8 Monate: |
Diarrhoe, Bauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen |
Nüchtern: 30min vor oder 2h nach Essen, |
|
Lamivudin (3TC): Suspension: 10mg/ml |
Alter <30Tage: |
Kopfschmerz, Diarrhoe, Bauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit |
Unabhängig vom Essen, |
|
Abacavir (ABC): Suspension: |
Kinder 1-3 Monate: |
Diarrhoe, Bauchschmerz, Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie Hautausschlag, Kopfschmerz, |
Unabhängig vom Essen, |
|
Tenofovir (TDF): |
Für Kinder < 2J.: |
Häufig gastrointesinale Beschwerden (Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Flatulenz), Hypophosphatämie |
Zum Essen, |
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Emtricitabin (FTC): Suspension: 10mg/ml |
3 Monate - 18 Jahre: |
Kopfschmerzen, Diarrhoe, Übelkeit, Hautausschlag, Hyperpigmentationen, HepatitisB-Exacerbation nach Absetzen möglich!! |
Unabhängig vom Essen, |
|
NRTI-Kombinationspräparate: |
|||
| Combivir® (AZT+3TC) Tbl. mit Bruchrille: 300mg AZT + 150mg 3TC |
Kinder: 14-21kg: 2x ½Tbl. 21-30kg: ½ -0- 1Tbl. ab 30kg: 2 x1 Tbl. |
Siehe Einzelpräparate | |
| Kivexa® (3TC + ABC) 300mg 3TC + 600mg ABC |
Für Kinder <12Jahre bzw. <40kg nicht zugelassen!! |
Siehe Einzelpräparate | |
| Trizivir® (ZDV+3TC + ABC) 300mg ZDV + 150mg 3TC + 300mg ABC |
Zulassung ab 18 Jahre!! Erwachsenendosis: 2x 1Tbl. |
Siehe Einzelpräparate | |
| Truvada® (FTC +TDF) 200mg FTC+ 245mgTDF |
TDF für Kinder <18J.: nicht zugelassen!!! Erwachsenendosis: 1x 1Tbl. |
Siehe Einzelpräparate | |
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Nicht-nukleosidische Reverse Transkriptase Inhibitoren (NNRTI) |
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Efavirenz (EFV): |
Kinder <3Jahre: |
ZNS: Somnolenz, Albträume, Verwirrung, Amnesie, Konzentrationsschwäche, Veränderungen der Persönlichkeit, Agitation, Halluzinationen, Euphorie Teratogen bei Primaten |
Einnahme auf leeren Magen, |
|
Nevirapin (NVP): Suspension: 10mg/ml Nevirapin Retard
|
Alter >14d - 8Jahre: |
Hautausschlag (v.a. in ersten 6 Wochen der Therapie), auch Steven-Johnson-Syndrom möglich, Fieber, Erbrechen, Kopfschmerz |
Unabhängig vom Essen. erniedrigt Spiegel von PI, |
|
Edurant® |
Für Kinder <18 Jahre nicht zugelassen !!Erwachsenendosis: |
Übelkeit, abnorme Träume, Schlafstörungen, Cholesterin- und Triglyceriderhöhung, Hautausschlag |
muss mit einer Mahlzeit eingenommen werden |
|
Etravirin (ETR) Tabletten: 100mg |
Für Kinder <18 Jahre nicht zugelassen!! Phase II-Studie mit 2x 5,2mg/kg |
Übelkeit, Hautausschlag (v.a. in 2. Therapiewoche, selten auch Steven-Johnson-Syndrom möglich) | Nach Mahlzeit (und nicht auf leeren Magen einnehmen) Tabletten auch in Wasser aufgelöst trinkbar |
| NRTI-NNRTI-Kombinationspräparate | |||
| Atripla® (FTC+TDF+EFV): 200mg FTC 300mg TDF 600mg EFV |
Für Kinder <18 Jahre nicht zugelassen !!Erwachsenendosis: |
Siehe Einzelpräparate | Einnahme auf leeren Magen, Einnahme: einmal täglich, am besten vor dem Einschlafen |
| Eviplera®: 200mg FTC 300mg TDF 25mg TMC278 |
Für Kinder <18 Jahre nicht zugelassen !!Erwachsenendosis: |
Siehe Einzelpräparate | Muss mit einer Mahlzeit eingenommen werden |
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Proteaseinhibitoren |
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Nelfinavir (NFV): Pulver: 50mg/g Tabletten: 250mg |
Für Kinder <3Jahre nicht zugelassen |
typisch: Durchfall selten: Bauchschmerzen, Hautausschlag, gestörter Lipid- und Kohlenhydratstoffwechsel, CK-Erhöhung |
große Erfahrung in der Pädiatrie, Pulver wird geschmacklich nicht toleriert!! Es kann aber adäquate Menge der Tablette in Wasser gelöst verabreicht werden |
|
Ritonavir (RTV): |
Für Kinder <2Jahre nicht zugelassen!! |
Als Booster-Medikament kaum Nebenwirkungen |
mit dem Essen: erhöht Absorption, vermindert GI-Nebenwirkungen |
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Saquinavir (SQV) |
Für Kinder <16Jahren nicht zugelassen!! |
Diarrhoe, Bauchschmerz, Kopfschmerz, Parästhesien, Hautausschlag, Erbrechen, Dyslipidämie |
Keine Formulierung für Kinder !! |
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Lopinavir/Ritonavir (LPV/RTV)=Kaletra® |
Für Kinder <2Jahre nicht zugelassen |
Hautausschlag, Durchfall, Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, selten: Blutungen bei Hämophilien, gestörter Lipid- und Kohlenhydratstoffwechsel, Leberenzymerhöhung |
Saft: mit dem Essen, |
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Atazanavir (ATV): Kapseln: |
Für Kinder <6Jahre nicht zugelassen!! 15- <20kg: 1x 150mg ATV + 80mg RTV 20- <40kg: 1x 200mg ATV + 100mg RTV > 40kg: 1x 300mg ATV + 100mg RTV (=Erwachsenendosis) |
Erhöhung indirektes Bilirubin, |
Bessere Absorption mit Essen |
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Fosamprenavir (FPV) |
Für Kinder <6 Jahre und <25kg nicht zugelassen!! 25- 32kg: 2x 18mg/kg FPV + 2x 3mg/kg RTV 33- 38kg: 2x 18mg/kg FPV + 2x 100mg RTV > 39kg: 2x 700mg FPV+ 2x 100mg RTV = Erwachsenendosis |
Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, periorale Parästhesien, Kopfschmerz, Hautausschlag bis Stevens-Johnson Syndrom (1%), Lipidabnormalitäten |
Unabhängig vom Essen |
| Tiprananvir (TPV) Saft: 100mg/ml Kapseln: 250mg |
Für Kinder <2 Jahre nicht zugelassen!! 2x 375mg/m² KO TPV+ 2x 150mg/m² KO RTV oder 2x 14mg/kg TPV + 2x 6mg/kg RTV Erwachsenendosis: 2x 500mg TPV+ 2x 200mg RTV |
Diarrhoe, Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautausschlag, Erbrechen, erhöhte Transaminasen + Cholesterin + Triglyzeride |
Unabhängig vom Essen; enthält 116U/ml Vitamin E |
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Darunavir (DRV) Tabletten: Suspension: |
Für Kinder <3 Jahre oder <15kg nicht zugelassen!! |
Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Müdigkeit | Einnahme mit Mahlzeit |
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Entry- und Fusionsinhibitoren |
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Enfuvirtide (T-20): |
Kinder < 6 Jahre: |
Lokale Reaktionen an Injektionsstellen (98%) mit Schmerz, Induration, Erythem, Juckreiz, |
Schulung für korrektes steriles Auflösen und korrekte s.c.-Injektion nötig, |
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Maraviroc (MVC) Tabletten: |
Keine Zulassung für Kinder <16 Jahre!! Ab 16 Jahre: Mit CYP3A4-Inhibitor: 2x 150mg Ohne CYP3A4-Inhibitor: 2x 300mg Mit CYP3A4-Inducer: 2x 600mg |
Husten, Fieber, Infektionen oberer Respirationstrakt, Hautausschlag, Bauchschmerzen, muskuloskelettale Symptome, Müdigkeit |
Nur bei CCR5- Tropismus, nicht bei CXCR4-Tropismus. Unabhängig vom Essen |
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Integraseinhibitoren |
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Raltegravir (RAL)
Tabletten: 400mg |
Keine Zulassung für Kinder <16 Jahre!! |
Übelkeit, Kopfschmerz, Müdigkeit, Diarrhoe, Juckreiz | Unabhängig vom Essen Zur Zeit pädiatrische Studien |
KO= Körperoberfläche, KG= Körpergewicht, *Max.= Höchstdosierung
Alle aufgeführten Medikamente können zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, gastrointestinalen Beschwerden, Durchfall, Übelkeit und Hautausschlag führen.
Aus verschiedenen Überlegungen heraus (kompetitive Hemmung bei Phosphorylierung zu Nukleotiden, Kreuzresistenzen, Kumulation von Nebenwirkungen etc.) sind bestimmte Kombinationen von NRTI kontraindiziert: AZT + D4T und DDC + DDI
Besteht keine Erfahrung in der Behandlung von HIV1-infizierten Kindern, sollte Kontakt mit einem spezialisierten Zentrum aufgenommen werden (Adressen siehe im Anhang). Dort können auch Wechselwirkungen sowohl der antiretroviralen Substanzen untereinander als auch mit eventuell nötigen anderen Therapeutika z.B. bei opportunistischen Infektionen mit mehr Erfahrung beurteilt werden.
Viele Medikamente sind in Kombination mit antiretroviralen Substanzen wegen Nebenwirkungen oder dem Absenken von Wirkspiegeln kontraindiziert. Wirkspiegel unter der minimalen Wirkkonzentration führen durch Resistenzbildung zu einem schnellen Therapieversagen der antiretroviralen Medikamente.
Wann immer möglich sollte die antiretrovirale Behandlung eines Kindes im Rahmen einer kontrollierten klinischen Studie (PENTA, PAAD) durchgeführt werden! Sollte bei einzelnen Patienten kein passendes Studienprotokoll verfügbar sein, ist in Zusammenarbeit mit der PAAD (Homepage: http://www.kinder-aids.de/) die Anwendung von für Kinder nicht zugelassenen Medikamenten im Rahmen von "Heilversuchen" möglich (Regelungen des Arzneimittelrechtes beachten).
Eine standardisierte Kontrolle des Therapieerfolges und evtl. Nebenwirkungen, am besten im Rahmen des Therapieregisters des Kompetenznetzwerkes HIV/AIDS, ist anzustreben.
Ansprechpartner für das Kindermodul des Kompetenznetzwerkes HIV/AIDS:
Dr. med. Christoph Königs
Zentrum für Kinderheilkunde
Immundefektambulanz
Universitätsklinik Frankfurt
Theodor Stern Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Tel.: 069-6301-6432
Fax: 069-6301-4464
E-mail: ckoenigs@zki.uni-frankfurt.de
Monitoring der antiretroviralen Therapie:
| Untersuchung: | Grund: |
| Anamnese: Seit letzter Vorstellung erlittene Krankheiten/Symptome | a) Erfolg der antiretroviralen Therapie b) aufgetretene Nebenwirkungen |
| Gründliche körperliche Untersuchung | a) Exantheme, Oberbauchschmerz etc. als Therapienebenwirkungen b) Beurteilung Lipodystrophie |
| Gewicht + Länge | Dosisanpassung an Gewicht und Körperoberfläche, Erfolg der antiretroviralen Therapie |
| HI-Viruslast/Quantitative HIV1-PCR | Erfolg der antiretroviralen Therapie |
| Lymphozytensubpopulationen | |
| Plasmaspiegelbestimmungen der Medikamente | Dosisanpassung nach Tal-/ Peakspiegel, Adhärenz |
| Blutbild, Differentialblutbild | Anämie, Neutropenie, Thrombopenie als Nebenwirkungen |
| CRP, Serumelektrolyte, Blutzucker, Serumeieiweiß, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Mg, Phosphat, AP, µGT, Transaminasen, Amylase, Lipase, CHE, CK, CK-MB, Laktat, Cholesterin, Triglyceride, fT4, TSH, Gerinnungsstatus | Erfassung von Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie |
| Impfantikörper | Impf(miß)erfolg, evtl. Boosterung, Ig-Gabe |
| Urinstatus | Hämaturie, Proteinurie wegen HIV-Nephropathie oder Ausschluß von Therapienebenwirkungen z.B. Crixivan® etc. |
| EKG + Echokardiographie | HIV-Kardiomyopathie |
| Augenärztliche Untersuchung | HIV-Retinopathie, CMV-Retinitis |
Die zu erfassenden Daten (CD4-Zahl, HIV-Viruslast, klinische Untersuchung und Labor) werden mindestens 2x vor - sowie (2-,) 4-, 8- und 12 Wochen nach Therapiebeginn, bei unauffälligem Verlauf in der Folge kann bei Kindern >2 Jahren in mindestens 3-monatlichen Abständen bestimmt (medikamenten- bzw. kombinationsspezifische Nebenwirkungen beachten!). Bei Kindern im ersten Lebensjahr sind wegen der auf starken Gewichtszunahme beruhenden regelmäßigen Dosisanpassungen monatliche- im 2.Lebensjahr Untersuchungen alle 2 Monate empfohlen.
Wie bei den Erwachsenen ist das Therapieziel die Senkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze und die Aufrechterhaltung dieses Zustands. Der Erfolg der antiretroviralen Therapie muss daher im Verlauf beurteilt werden.
Primäre Beurteilung von Therapieeffektivität und Therapieversagen
1) Effektivität der antiretroviralen Therapie und Therapieumstellung:
Patienten, die eine ART erhalten, müssen sorgfältig hinsichtlich Adhärenz, virologischem, immunologischem und klinischem Ansprechen überwacht werden. Nach Beginn einer ART sollte das Therapieansprechen und Nebenwirkungen zunächst nach 4-, 12 Wochen und dann alle 3 Monate kontrolliert werden (CD4, Viruslast, TDM).
Die ART sollte spätestens
nach 12 Wochen zu einer Reduktion der VL um 1 log und
nach 4-6 Monaten zu einer nicht mehr nachweisbaren Viruslast führen.
Dies ist aber nur bei ca. 50-70% der Patienten der Fall. Schlechte Adhärenz, inadäquate Plasmaspiegel oder zu geringe Potenz der eingesetzten Medikamente tragen zum Versagen der Therapie bei.
Hierbei können Bestimmungen der Medikamentspiegel hilfreich sein. Die ART ist zu ändern, wenn entweder ein virologisches, immunologisches oder klinisches Versagen der Therapie oder toxische Nebenwirkungen auftreten (AIII) (www.aidsinfo.nih.gov/Guidelines/).
2) Kriterien des Therapieversagens und für die Umstellung der antiretroviralen Therapie:
Die ART muss geändert werden, wenn entweder ein virologisches, immunologisches oder klinisches Versagen der Therapie oder toxische Nebenwirkungen auftreten (AIII):
1a. Virologisches Therapieversagen: Werden die obigen Zielvorgaben;
-nach 12 Wochen eine Reduktion der VL um 1 log und
-nach 4-6 Monaten eine nicht mehr nachweisbare Viruslast
nicht erreicht, spricht man von einem virologischen Versagen. Weitere Kriterien sind
- wiederholter Nachweis von HIV-RNA bei Patienten, deren Viruslast nicht nachweisbar war,
-bzw. ein Wiederanstieg der VL.
Der Viruslastanstieg als Kriterium für eine Umstellung der Therapie wird in der derzeit laufenden 'Penpact-1 Studie' untersucht.
1b. Immunologisches Therapieversagen:
-signifikanter Abfall der absoluten CD4-Zellzahl um >30%/ in 6 Monaten,
- bzw. Reduktion um mehr als 5 %-Punkte der relativen CD4-Zellzahl/ in 6 Monaten.
1c. Klinisches Therapieversagen: Klinische Kriterien für ein Therapieversagen:
-Beginnende Enzephalopathie (progressive neurologische Verschlechterung),
-Gedeihstörung, Wachstumsstillstand,
-Progression in der CDC- oder WHO-Klassifikation.
2. Toxizität: Bei Auftreten spezifischer toxischer Nebenwirkungen muss das verursachende Medikament identifiziert und ausgetauscht werden. Hierbei ist auf Interaktionen mit den verbliebenen Medikamenten zu achten. Bei Toxizität auf NRTI (z.B. Laktatazidose) kommen auch NRTI-freie Kombinationen (2 geboostete PI oder NNRTI plus PI) in Betracht (CIII).
Die Wichtigkeit der Adhärenz muss klar gemacht werden. Vor Therapie-Umstellung sollte in diesem Fall eine genotypische Resistenztestung und die Bestimmung der Medikamentenspiegel durchgeführt werden.
Gründe für ein Scheitern der Therapie:
1) Primäre Resistenzen
2) Sekundäre Resistenzbildung wegen zu niedriger Wirkstoffkonzentrationen der antiretroviralen Therapeutika:
durch unregelmäßige Einnahme/schlechte Compliance (am häufigsten!!!)
durch mangelnde Resorption z. B. durch Diarrhoen/Wasting
durch Interaktionen mit anderen Medikamenten
3) Abbruch der Therapie wegen starker Nebenwirkungen
Spätestens die Beurteilung des Therapieversagens und die Therapieumstellung/Zweittherapie sollte in einem für HIV1-infizierte Kinder erfahrenen Zentrum erfolgen. Neben der Auswahl der nun einzusetzenden Medikamente muss gegebenenfalls eine genotypische und/oder phänotypische Resistenztestung interpretiert werden. Studien bei Erwachsenen zeigen, dass bei Therapieversagen ein erfahrener HIV-Behandler ohne Resistenztestung mit der Zweittherapie erfolgreicher ist als ein unerfahrener Behandler mit Resistenztestung. Auch aufgrund größerer Erfahrungen mit neu zugelassenen Medikamenten ist die Überweisung an ein HIV-erfahrenes Zentrum indiziert.
Genau wie bei den erwachsenen HIV1-Positiven ist auch bei Kindern die Eradikation des HIV1 in weite Ferne gerückt. Die antiretrovirale Therapie muss daher als lebenslang notwendige Therapie einer chronischen Erkrankung angesehen werden. Diese muss bei Kindern besonders behutsam durchgeführt werden, um nicht in kurzer Zeit viele Therapieoptionen zu verlieren. Auch sollte bedacht werden, dass Kinder bei erfolgreicher Therapie mit langer Überlebenszeit den Nebenwirkungen der Therapeutika viel länger ausgesetzt sind als Erwachsene.
